Barmbek-Süd – Kanäle, Türme und Komponisten

Was ist typisch für Hamburg? Der Hafen, die Reeperbahn oder der Michel? Na klar, stimmt alles, aber es gibt ein Gebiet in Hamburg, dass das Prädikat "typisch Hamburg" wie kein zweites verdient, ohne dabei mit touristischen Attraktionen glänzen zu müssen. In den Straßen Barmbeks verbrachte Helmut Schmidt seine Kindheit und trällerte Lotto King Karl seine ersten Liedchen. Hier dominiert der Backstein und hier schlug das Arbeiterherz Hamburgs. Seit 1951 ist Barmbek in die Stadtteile Barmbek-Nord, Barmbek-Süd und Dulsberg unterteilt. Ich schaue mich heute zwischen Osterbek-und Eilbekkanal in Barmbek-Süd um.

Mundsburg - Shopping unter Türmen

Der erste Stopp meiner Tour durch den Stadtteil führt mich zu den wohl markantesten Gebäuden in Barmbek-Süd. Die Ringlinie U3 hat mich an der Station Mundsburg rausgeworfen, wo ich streng genommen noch auf Uhlenhorster Gebiet stehe. Doch auf der anderen Seite des viel befahrenen Verkehrsknotenpunktes heben sich die drei Mundsburg-Türme auf Barmbeker Gebiet empor. Mitte der siebziger Jahre als kombiniertes Objekt für Wohn-, Geschäfts- und Büroeinheiten geplant, wirken die Türme mit ihrer klobigen Eleganz wie ein Relikt aus eben jenen Zeiten. Die wechselnden Vermieter erlebten in den letzten Jahrzehnten gute und schlechte Zeiten für ihre Investitionen, doch nach etlichen Renovierungen in den vergangenen Jahren sind die Mundsburg-Türme wieder ein durchaus beliebter Standort für Büros und Geschäfte. Und wer sich in den Türmen eine der schnuckeligen ein- bis zwei Zimmerwohnungen mit Alsterblick zulegen möchte, darf nicht knauserig sein.

Am Fuße der Mundsburger Türme erstreckt sich mit der Hamburger Meile die längste Shopping-Mall Europas mit 150 Shops und vielen Cafés und Restaurants auf fast 50.000 m² Fläche. Das Center führt die über 100-jährige "Shopping-Tradition" an der Hamburger Straße fort. Schon Anfang des letzten Jahrhunderts eröffnete mit dem Kaufhaus Heilbuth an der Stelle, wo heute die Mundsburger Türme stehen, das erste Kaufhaus moderner Prägung in Hamburg. 1928 wurde es durch das imposante Karstadt-Gebäude ersetzt. Ende der 1930er Jahre gab es in der Hamburger Straße annähernd 300 Ladengeschäfte und Gastwirtschaften. Das Karstadt-Kaufhaus wurde - wie der Großteil der Gebäude im heutigen Barmbek-Süd -bei der Bombardierung Hamburgs im Rahmen der "Operation Gomorrha" vollständig zerstört.

Das "falsche" Komponistenviertel von Barmbek-Süd

Nördlich der Hamburger Straße beginnt eines der beliebtesten Wohnviertel in Barmbek-Süd. Im sogenannten Komponistenviertel in Barmbek wechseln sich hübsche, stuckverzierte Altbauten mit soliden, mehrstöckigen Rotklinkerhäusern ab. Straßenzüge wie die Flotowstraße könnten auch nach Eppendorf verpflanzt werden, ohne im Straßenbild aufzufallen, wobei sich die hiesigen Anwohner im entspannten Barmbek sicher wohler fühlen - man ist hier durchaus stolz auf sein Quartier. Die Namensgebung des Viertels ist übrigens auf ein Missverständnis zurückzuführen. 1877 bekam die Wagnerstraße in Barmbek-Süd ihren Namen. Sie wurde allerdings nicht nach dem Komponisten Richard Wagner, sondern nach dem Grundeigentümer Franz Heinrich David Wagner genannt. Da es in dem Gebiet auch noch eine Richardstraße und die Elsastraße gab, die auch nicht nach der Figur aus Wagners Lohengrin, sondern nach der Frau des Grundbesitzers Franz Wagner genannt wurde, war die Verwirrung bei Bevölkerung und Behörden relativ schnell komplett. Im Anschluss an die vermeintliche Tradition nannte man einfach weitere Straßen in dem Viertel nach Komponisten. Heute begegnen wir in Barmbek-Süd unter anderem der Beethovenstraße, der Mozartstraße, der Schubertstraße und der Schumannstraße. Die Bachstraße hingegen ist auch eine Ausnahme, denn der Name bezieht sich ebenfalls nicht auf den Komponisten, sondern auf ein Gewässer, den heutigen Osterbekkanal.
Mitten im Komponistenviertel findet man auch eines der hübschesten Bäder Hamburgs, die Bartholomäus-Therme. Unter einem prachtvollen Kuppeldach steht die Entspannung für die Badegäste im Vordergrund, weshalb Kinder hier keinen Zutritt haben. Wer es gerne romantisch hat, kann in den Wintermonaten die Candlelight-Therme besuchen, wo dann das Bad bei Kerzenlicht erstrahlt und mit klassischer Musik beschallt wird. Für eher sportliche Gäste gibt es eine separate Trainingshalle. Hier sind dann auch wieder die kleinen Schwimmer gerne gesehen. 

Auf meiner Erkundungstour durch Barmbek-Süd wurde ich von einem Filmteam des NDR begleitet. Das filmische Ergebnis gab es im November 2016 in der NDR-Nordtour zu sehen. Wer mir also gerne mal bei der Arbeit über die Schultern schauen möchte, bitte sehr! 

Die Alstercity - der Barmbeker Glaspalast

An der nördlichen Grenze des Stadtteils, direkt am Osterbekkanal, streckt sich die gläserne Fassade des Alstercity-Hochhauses in den Barmbeker Himmel. In dem imposanten Gebäude mit der gläsernen Fassade haben etliche Hamburger Mittelständler ihren Sitz. Neben einigen Arztpraxen und kleinen Geschäften beherbergt das Gebäude auch einen integrativen Supermarkt, in dem behinderte und nicht behinderte Angestellte zusammenarbeiten und für eine herzliche Einkaufsatmosphäre sorgen, die man beim Besuch des Discounters um die Ecke wahrscheinlich nicht vorfindet. Direkt vor den Türen der Alstercity kann man sich im Johannes-Prassek-Park die Zeit vertreiben. Das durchaus nett angelegte Gelände lockt mit modernen und sauberen Spielgeräten und mit einem gepflegten Basketball-Court, einem Bolzplatz und einigen Skate-Vorrichtungen die kleinen und etwas größeren Kinder an.

Barmbek für Deine Wand

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Wer will nach Barmbek-Süd?

Für alle, die kein quirliges Szeneleben brauchen, aber auch keine Dorfidylle wollen, bietet sich Barmbek als gemütliches und teilweise erstaunlich schickes Wohnviertel an. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist man in einer Viertelstunde am Kiez und am Hafen und zur Alster ist es auch nicht weit. Für das große kulturelle Spektakel muss man die Stadtteilgrenzen zwar überschreiten, aber zumindest in Sachen Kino ist man durch ein Multiplex im Mundsburg Center gut versorgt. Die Auswahl an Restaurants oder Cafés ist sicher nicht ganz so groß wie beispielsweise im Nachbarstadtteil Winterhude, den guten Italiener um die Ecke gibt es aber auch hier. Und im Gegensatz zu manchen Lokalitäten im noblen Nachbarstadtteil muss man sich in Barmbek-Süd nicht großartig aufhübschen, um beim Restaurantbesuch nicht unangenehm aufzufallen.
Zugegeben, einige Ecken in Barmbek-Süd, etwa an der Hamburger Straße, wirken etwas "abgewohnt", aber wo in Hamburg ist es schon an einer vier- bis sechsspurigen Straße richtig gemütlich? Andererseits gibt es in diesem Bereich auch für weniger betuchte Hamburger zentralen und bezahlbaren städtischen Wohnraum. Dennoch, ein echtes Arbeiterviertel ist Barmbek-Süd schon lange nicht mehr. SPD und die Linke knacken hier zusammen bei Wahlen zwar noch immer die 50-Prozent-Marke und es wird noch ganz gerne mit dem Arbeiter-Image kokettiert, doch die Attraktivität des Stadtteils zieht viele Hamburger aus der bürgerlichen Mitte an.

 

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